Quelle: Cable VisionDiese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. 16.09.2022

In Zeiten, in denen die Zukunft besonders ungewiss erscheint, ist die Freude über vertraute und bewährte Ankerpunkte besonders groß. Ein solcher ist der Breitbandkongress des Fachverbands Rundfunk- und BreitbandKommunikation (FRK), der dieses Jahr zum 25. Mal vom 14. bis 15. September in Leipzig stattfand. Mit über 60 Ausstellern und über 400 Fachbesuchern war die Veranstaltung in Leipzig wieder sehr gut besucht. „Bewährt“ ist hier keinesfalls mit Langeweile gleichzusetzen: Verstand es das Team um den FRK-Vorsitzenden Heinz-Peter Labonte und Geschäftsstellenleiter Ralf Berger auch im Jubiläumsjahr, ein Kongressprogramm mit für die Branche relevanten Fragen zusammenzustellen. Das waren in diesem Jahr vor allem die Rolle der von großen Finanzinvestoren unterstützten Unternehmen im Breitbandmarkt, die Folgen des novellierten Telekommunikationsgesetzes (TKG) und die großen Herausforderungen des Ausbaus der Netzebene 4 (NE4).

Theo Weirich: Zuversicht und Zusammenarbeit

Die gesamtwirtschaftlichen Aussichten in Deutschland sind nicht gut und alle blicken voll Sorge auf eine mögliche Energie- und Stromknappheit im Herbst und Winter. Vor diesem Hintergrund war die Rede von Keynote-Speaker Theo Weirich, Geschäftsführer des Netzbetreibers Wilhelm.tel und Vorsitzender des BUGLAS, ermutigend: „Ich weiß momentan nicht, wie wir aus der Krise kommen, doch wir werden es als mittelständische Unternehmen in drei Jahren als Leuchttürme gezeigt haben“, so sein Statement.
Die Stärken der Mittelständler sah er in ihrer langjährigen, vertrauensvollen Beziehung zu den Kunden, in der genauen Kenntnis der Situation vor Ort und in ihrer Vermarktungskompetenz. Wichtig sei allerdings auch, Zusatzdienste anbieten zu können wie Smart-Home-Services oder elektronische Messeinrichtungen für Strom.

Er plädierte für Zusammenarbeit: Diese sei aus seiner Erfahrung auch mit der Telekom möglich, dort werde die Bereitschaft dazu immer größer. Vor ein paar Wochen hat sein Unternehmen einen Layer-2-Bitstream-Access mit der Telekom vereinbart. Dies habe sehr gut funktioniert, nächstes Jahr kämen 40.000 bis 50.000 Telekom-Kunden auf das Netz von Wilhelm.tel. Man arbeite momentan an einem Vertragsentwurf, wie man auch passive Infrastruktur zur Verfügung stellen könne.

Finanzinvestoren – Chance oder Problem?

In der Branche kursiert die Summe von 50 Milliarden Euro, die in den nächsten Jahren in den Glasfaserausbau investiert werden soll. Finanziers der ausbauenden Unternehmen sind zum Großteil Infrastrukturfonds wie beispielsweise Infrafibre Germany oder Icon Infrastructure. Wird es auf dem Markt demnächst zu Übernahmen kommen und wird das Engagement der Investoren langfristig sein – dies waren die wichtigsten Fragen, die am ersten Kongresstag auf dem Panel „Finanzinvestoren: Chance oder Problem für mittelständische Netzbetreiber?“ behandelt wurden.
Auf dem Podium saßen, wie Diskussionsleiter Labonte scherzhaft überschlug, Unternehmensrepräsentanten, die rund ein Fünftel des Kapitals von 50 Milliarden investieren können: Charles Fränkl, Beiratsvorsitzender von DNSNet sowie die Geschäftsführer Toni Lo Chiatto, Strategic Fiber Networks, Jochen Mogalle, Leonet, und Soeren Wendler, Deutsche Giganetz. Alle bekannten sich dazu, auf Wachstum auch durch Unternehmenszukäufe ausgerichtet zu sein. So sagte Wendler, die Deutsche Giganetz habe ein großes Interesse, passive Netze zu erwerben, zurückhaltender sei man bei Koax, hier könne eventuell eine gemeinsame Überbaustrategie interessant sein. Lo Chiatto sagte: „FTTC-Netze sind für uns ein interessantes Thema. Wir überbauen selbst unsere FTTC-Netze, da es sonst andere machen würden.“
Nur ans Netz angeschlossene Kunden bringen Geld – doch Diskussionsleiter Labonte sah bisher zu wenig Bereitschaft bei den Unternehmen, in die NE4 zu investieren. Dazu komme: Würden die Kunden angesichts der Inflation in Zukunft Glasfaseranschlüsse buchen? Die Podiumsteilnehmer äußerten sich erwartungsgemäß zuversichtlich. Wendler stellte in Aussicht: „Wir beabsichtigen, als Investor in die NE4 zu gehen.“ Fränkl sagte zur Frage der Rendite der Netze: Die Ausbaustrategie müsse sehr detailliert sein und die Wirtschaftlichkeit werde in den nächsten drei bis fünf Jahren stark im Vordergrund stehen. Auch Lo Chiatto meinte: „Die Ausbaugebiete werden genauer unter die Lupe genommen.“ Bei der Nachfrage nach Glasfaseranschlüssen hätten sie bisher noch keinen Einbruch der Nachfrage festgestellt, so Wendler und Mogalle.

Werden sich alle ausbauenden Unternehmen auf dem Markt halten können? Alle Diskutanten erwarteten eine Konsolidierung des Marktes, allerdings nicht in naher Zukunft. Nur der CEO von Deutsche Giganetz prognostizierte diese schon fürs nächste Jahr „bei kleineren, in Schieflage geratenen Projekten“. Man darf gespannt sein.

TKG-Novelle: Welche Auswirkungen hat das Sonderkündigungsrecht?

Die Auswirkungen der Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG), das am 1. Dezember 2021 in Kraft getreten ist, auf die Zusammenarbeit zwischen Wohnungswirtschaft und Netzbetreibern standen beim Panel des zweiten Kongresstages im Vordergrund. Insbesondere das Sonderkündigungsrecht der Vermieter für Verträge mit den Netzbetreibern zum 1. Juli 2024 sorgt für Unsicherheit, wie es danach mit dem Netzbetrieb weitergehen soll.
„Das Gesetz ist handwerklich schlecht gemacht“, so die Bewertung von Dietmar Schickel, Beratungsunternehmen DSC Dietmar Schickel Consulting, und der anderen Diskutanten. Die Risiken für die Wohnungswirtschaft seien, so Schickel, dass diese nach einem Eigenausbau das Netz unentgeltlich zur Verfügung stellen müsse. Außerdem werfe das Gesetz die Frage auf, was nach Ausübung des Sonderkündigungsrechts zum 30.06.2024 mit den Hausnetzen geschehen solle. Wem gehören sie, wie wird die Versorgung mit Diensten geregelt werden? Um nicht in diese Lage zu kommen, würden andererseits viele Netzbetreiber die Situation nutzen, die bestehenden Verträge – nicht unbedingt zu besseren Bedingungen – zu verlängern.
Dr. Claus Wedemeier, GdW, Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., sah das Sonderkündigungsrecht nicht so problematisch: Aus Sicht der Wohnungswirtschaft sei dessen primärer Zweck, in Verhandlungen mit den bisherigen Anbietern über einen neuen Vertrag einzutreten.
Zur Vereinfachung der komplizierten Situation wurden unterschiedliche Maßnahmen vorgestellt. Bernd Thielk, Geschäftsführer des Hamburger Netzbetreibers Willy.tel, hat eine Verfassungsklage gegen das Sonderkündigungsrecht eingereicht, der vom Branchenverband ANGA unterstützt wird. Die Regelung komme einer Enteignung der Kabelnetzbetreiber gleich, sagte er. Er beklagte: „Die Politik spricht nicht mit den mittelständischen Netzbetreibern“. Es müsse eine Möglichkeit geben, die Investitionen in den – von der Politik gewünschten – Gigabitausbau zu refinanzieren. Und: Die Preise für Telekommunikationsleistungen müssten sozial verträglich bleiben.
Der GdW arbeitet an einem Mustervertrag, der zum Einsatz kommen kann, wenn das Hausnetz im Besitz des Netzbetreibers bleibt. Der BUGLAS will laut Geschäftsführer Wolfgang Heer durch Erleichterung des Open Access auf Grundlage marktwirtschaftlicher, diskriminierungsfreier Verfahren die Situation verbessern. Dies solle durch eine Rahmenvereinbarung erreicht werden, an der der BUGLAS aktuell arbeitet.

Einig waren sich alle beim Schlusswort: Gute Lösungen könne man trotz der Widrigkeiten durch Zusammenarbeit aller Akteure – Wohnungswirtschaft, Stadtwerke und mittelständische Netzbetreiber – erreichen.
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